![]() So schnell kann's gehen: Gestern noch entspannt und motiviert, heute Terminkollisionen und unerwartete To-Do's. Ich will an mehreren Orten gleichzeitig sein, kann mich aber nicht klonen. Und gleichzeitig will ich Zeit haben, um Pendenzen aufzuarbeiten, damit mein Arbeitstisch wieder leer ist. Und natürlich will ich auch Zeit haben zum entspannen, denn offenbar bin ich angespannt. Problem #1: Ich merke es oft viel zu spät, dass ich gestresst bin. Ich wache im Hamsterrad auf und merke ich renne schon die Meile 75. Lösung? Baseline versetzen! Je gewohnter für mich ein gelassener Zustand ist, desto eher merke ich, wenn sich Abweichungen einstellen. Am meisten hilft mir, viel draussen zu sein und mit Menschen zu sein. Anderen hilft Meditation oder Yoga. Wer gelassen ist, spürt sich selbst viel eher, oder überhaupt. Wie kreierst du dir die Gewohnheit, dich selbst zu spüren? Problem #2: Instinktiv behebe ich meinen Zustand immer zuletzt oder gar nicht, sondern versuche die Umstände zu beheben. Bei zu vielen ToDo's ist mein Automatismus ein Ordnen, Umplanen, Kommunizieren, versuchen schneller zu arbeiten oder Pausen wegzulassen – dort zu sparen, wo ich mich spüren könnte. Wenn ich mir selbst von Aussen zuschauen könnte, würde es aussehen, als ob ich versuche, dem Hamsterrad zu entkommen, indem ich schneller renne. Die Lösung dieses Problems kommt dann, wenn ich merke, dass sich meine Gefühlslage nicht verbessert. Wenn ich Glück habe passiert das innert Minuten, diesmal habe ich zwei Tage gebraucht und früher hat es auch mal ein paar Wochen oder Monate gebraucht, bis ich kapiert habe, was ich brauche. Wenn ich es merke, dann mache ich folgendes: Ich lasse alles liegen und stehe auf. Wenn ein Rasen in der Nähe ist, stelle ich mich barfuss auf den Boden, wenn nicht stelle ich mir vor, wie ich geerdet bin wie ein Baum und den ganzen Stress wie ein Blitzableiter in den Boden leite. Ich stelle sicher, dass ich atme und sage dann laut «Ich muss gar nichts» und stelle mir das ganze Gebilde aus Terminen, ToDo's und Gedanken vor, als wäre es ein riesiges Kartenhaus, das vor mir steht, mit 1–2 Meter Abstand. Ich mache mir damit klar: Ich bin nicht meine Termine, ich bin nicht meine ToDo's und ich bin nicht dieser Stress. Ich existiere normal weiter, ob es viel zu tun gibt oder nicht. Dann klatsche ich ein Mal bewusst, klar und laut in die Hände und schaue zu, wie das Kartenhaus zusammenfällt. Danach setze ich mich hin, nehme ein Blatt Papier und skizziere einen Plan für alles, was ich vor habe. Ich gehe vor, als würde ich diesen Plan nicht für mich machen, sondern für einen Mitarbeiter. Ich will ihn nicht überfordern, also plane ich nicht zu viel ein. Ich sage ab oder verschiebe, was sich weniger wichtig anfühlt und ich plane genug Zeit ein für alle ToDo's. Dieser Prozess fällt mir jetzt viel leichter, weil ich nicht mit dem Kartenhaus identifiziert bin. Ich freue mich darauf, inmitten vieler Termine und Aufgaben, ganz entspannt diesen Post für dich geschrieben zu haben. Vielleicht hat ja dieser kleine Einblick etwas in dir bewegen können. Schreib mir was dazu in den Kommentaren, ich bin gespannt. Wir sehen uns am Symposium, nur noch zwanzig Mal schlafen! Herzlich, Artemi
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![]() Lieber Mann Seit zwei Wochen ist es klar: ich habe einen Leistenbruch. Meine Därme quellen heraus. Der Druck in meinem Bauchraum ist zu gross. Die Bauchwand hält nicht mehr stand. Mein Fazit: da gibt es in meinem Bauchraum einen zu grossen Druck. Als Gestalttherapeut interessiert mich die Frage, wie ich es schaffe, mich unter Druck zu setzen? Es ist ja nicht so, dass die permanenten Einschränkungen, die wir gerade erleben mir sagen, ich müsse mich unter Druck setzen. Den Druck mache ich ja selber in mir drin. Es gibt also eine innere Instanz, die drückt (das wäre in meinem Fall der Darm) und eine, die gedrückt wird (meine Bauchdecke) – zwei Figuren in meiner Persönlichkeit. Und Mann steht ja irgendwie immer unter Druck. Es gibt den Druck, seinen «Mann» zu stehen, sein Leben im Griff zu haben, die Familie zu versorgen, das nächste Projekt zum Erfolg zu führen, kein Versager sein oder in der aktuellen Corona-Situation nicht schuldig sein, andere anzustecken. Und unzählige andere Möglichkeiten, sich selbst unter Druck zu setzen oder gar Teile der eigenen Persönlichkeit zu unterdrücken. Allen gemeinsam ist, dass sie eine Quelle haben: Mann genügt nicht. Und wenn Mann nicht genügt, droht der Ausschluss aus einem sozialen Setting oder gar der vernichtende Abstieg in Richtung Versager, Weichei oder Warmduscher. Das muss und will Mann verhindern. Also besser sich ein Feld suchen, in dem Mann Gewinner ist. Und diese Mechanismen greifen auf einer tiefen, meist unbewussten Ebene. Das Prinzip «Mann hat Erfolg» wird uns täglich mehrfach vor Augen geführt. Oder gibt es Online-Vorträge mit Verliererfiguren oder Produktewerbung mit verarmten Männern? Das hat System. Die Art und Weise wie Man sich mit männlichen, stereotypischen Idealen unter Druck setzen lässt, sind bestens angelernt und werden unter anderem auch durch andere Männer unbewusst gefördert. Konkurrenz unter Männern ist verbreitet und führt zum ewigen Spiel wer mehr Sieger ist. Doch sich mit archetypischen Figuren wie «der Zweifler», «der Unsichere», «der, der sich nicht entscheiden kann» oder «der Schuldige» usw. auseinanderzusetzen, verlangt zu allererst eine Hinwendung zu diesen Figuren. Und in einem weiteren Schritt eine Identifizierung mit ihnen, zumindest zeitweise. Doch das schreckt ab. Mann würde sich selbst an den Rand der Gesellschaft führen, wo der Ausschluss droht. Ich wünsche mir ein druckfreies Leben. Druckfrei wäre gerade in meiner Situation, wenn die verarbeitete und nicht mehr gebrauchte Nahrung durch die Därme ungehindert fliesst. Doch der innere Druck ist zu gross. Habe ich zu viel Nahrung aufgenommen? Zuviel in mich hineingestopft? Zuviel Heruntergeschluckt, was mir nicht guttut? Habe ich zu wenig Grenzen gesetzt und Unappetitliches nicht ausgespuckt? Es würde mit guttun, den Druck in mir zu verringern. Oder noch besser: für mich so zu sorgen, dass ich nicht unter Druck bin. Also was tun? Das heisst mich mir zuwenden. Mich selbst zu erforschen, in welchen Situationen, mit welchen Menschen, in welchen Projekten ich mich unter Druck setze und mir erlauben, dabei auch mit meinen inneren Versagern in Kontakt zu gehen, mit meinen inneren männlichen Figuren, die nicht Grenzen setzen, die nicht handeln sind, die einfach herunterschlucken, die sich schämen und sich verstecken wollen. Das würde mich lebendig machen und quasi meine heruntergeschluckte Nahrung verflüssigen. Ich würde fluid wechseln zwischen dem Druckerzeuger und dem Gedrückten. Meine Organe würden mir dankbar sein. Herzlich Philipp Steinmann Wie setzt du dich unter Druck? Was sind deine Mechanismen um zu genügen? Schreibe uns einen Kommentar ![]() Effizient bedeutet soviel wie «möglichst viel Output in möglichst wenig Zeit». Das Gegenteil davon wäre entweder «möglichst wenig Output…» oder «…in möglichst viel Zeit», d.h. möglichst lange an etwas dran sein. Warum sind erfolgreiche Menschen solche Menschen, die möglichst lange an etwas bleiben? In der alten Verfilmung der Geschichte des Baron Münchhausen gibt es die Szene, in der er bald losfahren muss – jedoch ist seine Kutsche kaputt. Er fragt den Handwerker vom Hof, wie lange er hätte, um sie zu reparieren. «Zwei Tage». Darauf fragt er «Schaffst du es auch in drei?». «Sollte gehen». «Und fünf?». «Ähh, das könnte knapp werden». Ist das ein alberner Witz? Ich glaube nicht. Er spricht hier etwas sehr Menschliches an: Wir haben Widerstände, Langsamkeit als einen Wert anzuschauen. So ist es für unsere Psyche tatsächlich schwieriger, etwas in fünf Tagen zu erledigen, als in zwei. Aber genau dort liegt der Schlüssel zum Erfolg. Erfolg kommt nämlich von er-folgen und meint damit, dass aus den Anstrengungen etwas folgt – dass es in einer Art und Weise weitergeht - das Dran-bleiben. Was unterscheidet heutzutage einen erfolgreichen Filmemacher von einem Durchschnittsmensch? Die Videoqualität? Nein, mit dem heutigen iPhone kannst du bessere Bilder machen, als die teuersten Filmkameras vor zwei Jahrzehnten. Ist es das Handwerk? Nein, das kann jeder lernen – Tippe einfach deine Fragen bei YouTube ein, und du findest alles, was du wissen musst. Der Unterschied ist nur eins: Dran-bleiben können. Jepp, ein Profi-Filmer kann einen ganzen Film von A bis Z machen. Ein Schriftsteller kann den langen und mühsamen Prozess, ein ganzes Buch zu schreiben durchstehen. Und was braucht es um Dran-bleiben zu können? Einfach gesagt, braucht es Motivation. Und Motivation wird oft missverstanden. Viele sagen, dass Motivation davon kommt, dass man etwas wirklich machen will, dass Filme zu produzieren die «Passion» der Filmemacher ist, dass sie nicht anders können, als Filme zu machen. Aber das stimmt nicht. «Passion» und das «dahinter-stehen» sind Voraussetzungen, damit du überhaupt etwas anfängst. Du musst eine Idee haben und leidenschaftlich (passioniert) zu einem Thema stehen, um einen Film anfangen(!) zu wollen oder einen Buch-Schreib-Prozess anzufangen. Motivation ist hingegen das, was das Dran-bleiben sichern wird, das wiederholte hinsetzen und schreiben. Und Motivation kommt aus einer Sache: aus dem Erreichen der Zwischenziele. Es fühlt sich gut an, sich drei Seiten pro Tage vorzunehmen und am Ende von Tag 1 drei Seiten ausdrucken zu können. So gut, dass ich nächsten Tag versuchen werde, diesen «Rekord» zu brechen. So macht Buch-schreiben Freude. So werde ich im Schnitt vermutlich mehr als drei Seiten pro Tag schreiben und werde schneller am Ziel sein… …als wenn ich mir 10 Seiten pro Tag vorgenommen hätte. Ist 10 Seiten pro Tag schreiben realistisch? Total! Ist es sinnvoll, sich dann 10 Seiten pro Tag vorzunehmen (wenn es ja realistisch ist)? Nein! Weil die Chance, dass ein Zwischenziel nicht erreicht wird viel grösser ist. Und was passiert, wenn ein Zwischenziel nicht erreicht wird? Du verlierst die Motivation. Und was passiert, wenn du die Motivation verlierst? Die Chance, dass du das Buch überhaupt fertig schreibst sinkt rasant. Fazit: Wenn du Erfolg haben willst, kannst du es dir nicht leisten, hohe Zwischenziele zu setzen. Damit würdest du dein Projekt aufs Spiel setzen. Du musst(!) lächerlich einfache Ziele haben, um motiviert zu bleiben. Denn nur Motivation bringt dich zum Ziel. In diesem Sinne, sehr verehrter Herr Münchhausen – Ich weiss, wie wichtig es ist für Sie, möglichst bald losfahren zu können. Ihr Vorhaben hängt vom Erfolg meiner Reparatur dieser Kutsche ab. So werde ich versuchen, mir möglichst wenige Zwischenziele pro halben Tag zu setzen, damit ich möglichst langsam vorankomme und hiermit die Chance eines allfälligen Motivationsverlustes minimiere. Vertrauen Sie mir, ich gebe mein Bestes, um meine Motivation hochzuhalten und damit den Erfolg der Reparatur sicherzustellen. Fünf Tage – Herausforderung akzeptiert! Ich kenne mich mit Buddhismus nicht aus, aber ich weiss, dass Buddha damals den Menschen Mitgefühl beibringen wollte. Und er tat es, indem er ihnen Aufgaben gab, wo sie das «Dienen» übten. Und das Dienen wurde definiert als eine Mischung aus Grosszügigkeit und Verzicht.
Wenn ich jetzt also ein Buddha-Lehrling wäre, dann müsste ich anderen Menschen etwas schenken (Grosszügigkeit), sodass es mich herausfordern würde (Verzicht). Mit Verzicht war also ein Schritt aus der Komfortzone gemeint, ein «Stretch», der gleichzeitig ein Bedürfnis oder Wunsch von jemand anderem erfüllt. Heute gibt es in den meisten Selbsthilfe-Büchern, -Seminaren, -Blogs etc. zahlreiche Kapitel übers Dienen. Es ist das Etwas-für-andere-tun und gleichzeitig ein Akt der Selbstliebe, denn Schenken lässt den Körper Oxytocin und Serotonin produzieren. Damit erzeugt es – neben unendlich vielen gesundheitlichen Vorteilen – ein Gefühl der Erfüllung, welches alleine durchs Erreichen gesteckter Ziele nie herbeigerufen werden kann. Damit entsteht bei mir ein Ideal von einem Leben, in dem ich glücklich bin, weil ich durchgehend im Dienst bin und damit 24/7 mich selbst und gleichzeitig andere beglücke. In der Theorie kenne ich dieses Konzept schon lange, aber wie sieht es mit der Praxis aus? Das Ergebnis folgender Selbststudie finde ich immer wieder ernüchternd: Ich setze mich hin und überlege, wie viele meiner wachen Stunden ich mit «dienenden» Tätigkeiten verbringe. Wieviele Stunden verbringe ich im Bewusstsein, dass das, was ich tue, jemand anderem etwas bringt? Leider immer wieder erschreckend wenig. Manchmal muss ich feststellen, dass ich z.B. im Beruf etwas mache, nur weil mein innerer Perfektionist noch zwei Stunden in etwas investieren will. Dabei wäre das Ergebnis für den Kunden schon lange erfüllend gewesen. Da diene ich einem Schattenanteil meines Egos und nicht dem eigentlichen Mitmenschen. Jetzt habe ich mich dabei ertappt, wie ich diesen Blog schreibe und dabei den Fokus darauf habe, ihn pünktlich publizieren zu können. Ist das wichtig? Hast du was davon, wenn ich damit pünktlich bin? Habe ich was davon? Diene ich hier meinem eigenen Selbstbild von Zuverlässigkeit oder dem Leser? Wie geht es dir damit? Bist du ein erfüllter Vollzeit-Diener oder auch noch ein Lehrling? mit Herz, Artemi ![]() Hast du dich auch schon gefragt, ob du ein Kerl bist? Unlängst bin ich dem «Yoga für Kerle» begegnet. Das hat mich augenblicklich angesprochen. Da wurde etwas in mir lebendig. Wäre es «Yoga für Männer» gewesen, hätten meine Vorstellung den Begriff gleich gesetzt mit Schwangerschaftsyoga oder Hormonyoga. Nein, das ist nicht mein Ding. Doch wenn Kerle Yoga machen... das ist schon etwas anderes. Denn ein Kerl ist etwas anderes als ein Mann. Dass du ein Mann bist, lässt sich unter anderem an deinem Penis erkennen, an deinem Gang, an deiner Ausstrahlung und anderen mehr den männlichen zugeordneten Attributen.Doch was ist ein Kerl? Ich bin auf die Suche nach dem Kerl in mir gegangen. Kerle sind die unflätige Seite des Mannes. Ein Kerl ist der Teil des Mannes, der seine eigenen Werte lebt. Kerl hat Spass daran hat, sein Ding zu tun ohne nach links und rechts zu schauen. Kerl ist frech, heldenhaft und überschreitet manchmal gesellschaftliche und kulturelle Grenzen. Ja, Kerl sein bedingt geradezu die Nähe zum Ungehorsam, die Nähe zum Gesetzlosen. Doch anders als ein krimineller Mann ist das Überschreiten der Grenzen ein Akt der heroischen Selbstdefinition. Für Kerl ist es wichtig vor und hinter der Grenze zu leben und immer wieder hin und her zu wechseln. Wäre ich Kerl, wenn ich nur nach den Konventionen der Gesellschaft leben würde oder ganz ohne? Damit ist Kerl auch ein Grenzgänger. Auf der einen Seite die Welt der Anpassung, der Normen, auf der anderen Seite das Wilde, die Nonkonformität. Doch anders als der Rücksichtlose, der Narzisst liegt Kerl der Schalk auf den Lippen, wenn er über die Grenze geht. Eine gewisse Portion Distanz zu sich selber – ein Lächeln über sich selber. Der entwickelte Kerl handelt nicht aus Trotz. Das wäre der kindliche Teil des Mannes. Für Kerl ist es auch nicht wichtig, dass er von Nicht-Kerlen gesehen wird. Das braucht der narzisstische Teil des Mannes. Doch für Kerl ist es wichtig von anderen Kerlen gesehen zu werden. Ohne andere Kerle hat er es schwer. Denn das Anderssein ist nur zu ertragen in der Gemeinschaft, nicht in der Isolation. Darum geht Kerl ins Yoga für Kerle oder setzt sich auf sein Motorrad. Kerl sucht auch die Frauen und sie suchen ihn. Er weiss um seine Anziehungskraft, wenn er «ein ganzer Kerl» ist. Kerl ist toll, lebendig..., doch so ganz kann man sich nicht auf ihn verlassen. Doch gerade das lockt die Frauen - das Spiel mit dem frechen Mann. Frauen lieben Kerl. Manchmal so sehr, dass sie ihn finanziell an sich binden. Doch wenn eine Beziehung tiefer geht und essenzielle Gefühle an die Reihe kommen, wird der entwickelte Kerl innehalten und mit seinem inneren Mann sprechen. Dann ist Kerl nicht gefragt. Ein Kerl ist nicht familienfähig. Er garantiert keine Sicherheit. Wenn Kerl den Kontakt zu sich selber verliert, kann es sein, dass Kerl in seiner eigenen Selbstverliebtheit verloren geht. Dann kann er zum Chauvinisten mit einem übersteigertem Männlichkeitsgefühl werden. Dann hat es Kerl schwierig wieder auf die andere Seite der Grenze zu kommen. Dann bleibt Kerl verloren in seiner Männlichkeit und altert allein. Kerl steht leicht selbstironisch über den Dingen und meint damit, dass er über seinen Gefühlen steht (oder er bestätigt sich dies zumindest, meist mehrmals am Tag). Kerl ist nicht der Mann, der die Last des Ernährers trägt, der Firmen und Mitarbeitende führt, der Projekte initiiert und die Welt enkelgerecht gestaltet. Doch Kerl kann Mann unterstützen, immer wieder mal seine persönliche Grenze zu überschreiten um mit ungewohnten, frechen, unkonditionierten Denk- und Verhaltensweisen zu spielen. Und warum geht Kerl ins «Yoga für Kerle»? Weil Kerl mit anderen Kerlen damit in eine Frauendomaine eindringt und das ist frech.... Uns interessiert wie DU den Kerl in dir erlebst? Lass es uns wissen und schreib einen Kommentar Herzliche Grüsse Philipp ![]()
Trotz allem: Wir lieben Wunder – was wird wohl aus der Krise aufsteigen?
Nachdem der Bundesrat am Donnerstag entschieden hat, das Versammlungsverbot erst ab 8. Juni zu lockern, sieht es ungünstig aus für die Durchführung des Symposiums im Mai. Da auch die Villa Unspunnen als Seminarhaus definitiv nicht zur Verfügung steht, müssen wir das Symposium für den Mai absagen. Wir bedauern das sehr. Dieser Entscheid erfüllt uns mit Trauer – und auch etwas Wut. So spüren wir auch eine Kraft und den Wunsch, Männer zusammen zu bringen. Wir sind der Überzeugung, dass es gerade jetzt wichtig ist, dass Männer zusammen kommen. Mit den Frauen vom FrauenSymposium suchen wir momentan nach Alternativen, neue Daten, neue Orte, neue Formen, neue Wunder. Es ist nach wie vor unsere Absicht, dieses Jahr ein Symposium durchzuführen. Auch unser Leitgedanke bleibt, war er doch nie so aktuell, Männer verändern die Welt – wenn nicht im Mai, dann später. Alle angemeldeten Männer informieren wir am nächsten Mittwoch persönlich über die weiteren Schritte. Bis dahin bitten wir dich, das Wunder des Phönix mitzutragen. Schau Dir dazu das Interview von Pablo mit Mirjam an. Es wurde gerade zu Beginn der Corona-Krise aufgenommen und beschreibt bereits eine Vision, wie wir alle die Krise nutzen für das installieren eines neuen Paradigmas in Medizin, Politik und Wirtschaft. „The time to be happy is now – the place to be happy is here – the way to be happy is to make others so” (Robert G. Ingersoll) Herzliche Grüsse Pablo PS: meine Petition läuft noch einige Tage. Mit diesem Link geht’s zur Petition. ![]() Aus der Schulischen Pädagogik ist längst bekannt: Mädchen verhalten sich fürsorglicher, kommunikativer, sind im Schnitt besser in der Schule (und mittlerweile auch an den Universitäten), sind flexibler in ihren Entwicklungsaufgaben, stehen ihren Gefühlen näher und neigen weniger zu Gewalt. Sind sie erstmal erwachsen und eignen sich auch noch als männlich definierte Eigenschaften an wie technologisches Knowhow und Durchsetzungskraft, stehen sie heute in der Gesellschaft eindeutig besser da. Und Jungs? Sie gelten als bewegungsfreudiger und rebellischer, sie sprengen Grenzen, wollen ihre körperliche Kraft ausprobieren und wollen zum Retter und Beschützer werden, was angesichts der gewachsenen weiblichen Selbstbehauptungsfähigkeit in einer Partnerschaft ziemlich überflüssig geworden ist. Die Erziehung ist immer noch oder vor allem Frauensache. In der Primarschule finden sich kaum Männer. Für Jungs fehlen adäquate Vorbilder, bzw. die vorhandenen männlichen Vorbilder zeichnen sich aus durch plakative Verhaltensmuster, die mehrheitlich alte Werte vermitteln wie Durchhaltekraft, Leistungswille, Kampfgeist, Sixpack und lauter, schneller, besser. Und hilft das unserer Gesellschaft oder kreieren mit diesen Ansätzen weiterhin Narzissmus, unvereinbare Polaritäten und Rassismus? Oder brauchen unsere Jungs Vorbilder, die sich mehr nach Innenwahrnehmung, Bezogenheit und Sorge um Mitmenschlichkeit und Natur orientieren?. Dazu kommt, dass die Überflüssigkeit herkömmlicher Männlichkeit sozial randständige Jungs in unlösbare Probleme bringt, die sie dann als junge Männer mit Gewalt versuchen zu lösen, sei dies nun beim aggressiven Autofahren, Männlichkeitsritualen auf öffentlichen Plätzen, körperliche Gewalt gegenüber andersartigen Männern und Frauen usw. Wie wird aus einem Jungen ein Mann? Was brauchen sie mit auf den Weg zum Erwachsenen? Welche Form von Männlichkeit wollen wir ihnen beibringen? Wie können wir erwachsenen Männer unseren Jungs zeigen, wie man mit Angst, Überforderung, Leistungsdruck und Geschlechtlichkeit umgeht? 1986 bezeichnet der inzwischen verstorbene Soziologe Prof. Dr. Ulrich Beck das Rollenbild von Männern als „Verbale Aufgeschlossenheit, bei weitgehender Verhaltensstarre“. Heute, rund 30 Jahre später könnte man angesichts der noch immer herrschenden Lohnungleichheit sagen, dass dieses Bild immer noch zutrifft. Also: wie kommen wir Männer in Bewegung, damit wir den Jungs eine zeitgemässe Antwort geben können? Eine mögliche Antwort könnten wir Männer in uns selber finden. Dazu brauchen wir nicht nur mehr Auseinandersetzung mit unserer geprägten Männlichkeit und deren Wirkung in der Arbeitswelt, in Partnerschaften und sozialen Begegnungen, sondern auch die Beschäftigung mit unseren eigenen weiblichen Anteilen. Wenn wir es schaffen uns mit unseren Ängsten, Sorgen, Unzulänglichkeiten und unseren hohen, oft gescheiterten Träumen und Liebessehnsüchten und unserem Ringen um eine balancierte Männlichkeit zu zeigen und auszutauschen, könnten wir Jungs in eine Welt einladen, in der sie selber dann als junge Männer fähig sein werden, ihre Welt verantwortungsvoll zu gestalten. Und eine zweite Antwort könnte sein, dass nicht ausschliesslich bessere Männer die Jungen lehren können, sondern auch ein gesundes Umfeld, wo Jungs sich selber spüren und ihr inneres Wesen ins Leben bringen. Auch diese Arbeit am Umfeld könnte eine Aufgabe von uns erwachsenen Männern sein. Auf der Webseite des MännerSymposium Schweiz steht: „Eine Gesellschaft wird gesund wachsen, wenn Männer Bäume pflanzen, obwohl sie wissen, dass sie niemals in deren Schatten sitzen werden." Das Thema am MännerSymposium vom 8. bis 10. Mai ist „Männer verändern die Welt - doch wie?“ oder anders gefragt: Welche Bäume werden wir pflanzen, damit unsere Jungs die Chance haben Männlichkeit auf eine ausgewogene, unterstützende Art zu leben? Dazu laden wir dich herzlich ein. Den Frühbuchertarif gibt’s noch eine Woche bis zum 7. März. Welche Werte möchtest Du Jungs mitgeben und wie? Lass es uns wissen und schreib einen Kommentar. herzlicher Gruss Philipp Steinmann
Der Widerstand gegen Missstände sollte also eine Sinn-Volle Alternative beinhalten wie z.B. Tänze des universellen Friedens in Kriegsgebieten zur Versöhnung traumatisierter Kriegsopfer oder das Wieder-Aufforsten von verwahrlosten und ausgelaugten Böden durch Permakultur oder alters durchmischte Wohn- und Lebensprojekte für isolierte und vereinsamte alte Menschen oder interkulturelle Kulinarien (Ess-Feste) für eine Verständigung mit Flüchtlingen und ausländische Mitmenschen oder Kooperationen von Klein- und Mittelunternehmen anstatt sich durch Konkurrenz gegenseitig zu schaden u.v.m.
Gut möglich das du Männer mit spannenden Alternativideen auf dem MännerSymposium-Schweiz.ch antriffst. Herzlich Pablo ![]() Vom inneren Druck ein toller Mann zu sein Wie lässt es sich erklären, dass die meisten Männer versuchen ihr Leben lang auf der Überholspur zu sein? Es scheint irgendeinen Drang zu geben, dass auch reflektierte Männer das Bedürfnis spüren, ihren Alltag, ihr Wirken, ihr Leben so darzustellen, dass sie Sieger, Eroberer und immer erfolgreich sind. In meiner Arbeit als Therapeut stelle ich immer wieder fest, wie Männer an ihre Grenzen kommen, wenn es darum geht, nicht auf der Überholspur zu sein. Auch ich bin vertraut mit diesen inneren Mustern, mich doch immer wieder als erfolgreich darzustellen. Trotz vielen Stunden in therapeutischen Settings und einer mittlerweile sehr gut antrainierten Fähigkeit zur Selbstreflektion staune ich immer wieder über meine eigenen Anteile, die partout in der Sonne glänzen wollen. Sprich: Mann ist häufig damit beschäftigt, seinen Wert zu polieren. Es gibt also einen Zusammenhang zwischen Auf- und Abwertung. Männer wie ich, die in ihrer Kindheit nicht die Zuwendung und Anerkennung eines Vaters erfahren haben, sind ein Leben lang damit beschäftigt, um Selbstwert und Bedeutung zu kämpfen. Dann erscheinen andere Männer als Konkurrenten und Rivalen. Wir wetteifern um Bedeutung und Würde, oft jeder für sich allein. Die Bedürfnisse nach Anerkennung und Macht stellen sich in den Vordergrund. Der reflektierte, steuernde Wille wird reduziert und Impulse aus älteren, tiefer liegenden Gehirnregionen werden aktiviert. In solchen Situationen übernehmen Vorurteile und kategorisierendes Denken die Steuerung. Emotionale Bedürftigkeit und alte Verletzungen können zu zwanghaften Gedankenspielen führen. Mann ist gefangen in Vergleichen und lehnt sich dann gerne an alte Wertvorstellung an – an selbstinszenierte oder gesellschaftlich imprägnierte. Auch innerhalb von reflektierenden Männergruppen erlebe ich immer wieder, wie Mann trotz authentischer Begegnung subtil den Kampf um Anerkennung führen muss. Die Selbstbeschreibung (und damit der Versuch einer Identität) finden dann auf der Überholspur statt. Doch solche im Aussen geführten Kämpfe sind ein Abbild von inneren Zuständen. Zu Grunde liegt mangelndes Urvertrauen und mangelndes Vertrauen ins Leben. Anders Männer, die mehrfach erlebt haben, dass ihnen Würde gehört und zusteht. Sie fühlen sich selbst geliebt und selbst gewürdigt in ihrem Sein. Wenn Selbstsicherheit in der Tiefe der eigenen Persönlichkeit verwurzelt ist, finden sie in Begegnungen und Auseinandersetzungen einen festen (Stand-)Punkt. Doch dieser Zustand ist den wenigsten Männern von Geburt an gegeben. Die Meisten kommen nicht darum herum, diese entwicklungsrelevanten Aspekte zu erarbeiten. Der gesunde Selbstwert wird massgeblich von Vätern (oft auch Grossväter) an die Söhne vermittelt. Da jedoch unsere Väter diese Würdigung meist selber vermisst haben, leiden die Söhne am gleichen Mangel. Hier können Männer andere Männer unterstützen. Auf einer transpersonalen Ebene könnte man sagen, dass jedem Mann seine Werte vom Universum verliehenen wurden. Jeder Mensch ist bedeutend ohne etwas dafür zu tun. Doch wie hilft diese Annahme im Alltag, in Partnerschaften, bei der Arbeit, beim Sex? Es ist nicht möglich, sich selbst zu einem wertvollen Menschen zu machen. Das wäre eine Selbsttäuschung. Wir brauchen die Begegnung und die Auseinandersetzung mit anderen Menschen, die uns unseren Wert bestätigen und finden dies in unseren Handlungen gespiegelt. Doch nicht in dem wir uns auf der Überholspur zeigen, sondern in dem wir so leben und uns so zeigen wie wir sind – mit Unzulänglichkeiten, Unverstandenem und Unfertigen. Eine mutige Tat, die ein Mann vollbringen kann, ist: anzunehmen, dass er niemand anderer ist als er selbst. Dieses Akzeptieren ist Basis der Erfahrung von Mann-Sein. Darin enthalten sind Unsicherheit, Haarausfall, sexuelle Lustlosigkeit und schlaffe Haut. Dann ist Mann ein Individuum mit ganz eigenen Fähigkeiten und seinem ganz eigenen Platz auf dieser Welt. Diese Werte möchten wir unter anderem am MännerSymposium beleben – ein Ort, an dem Männer auf der Langsamspur stolz sein dürfen, was sie sind. Herzliche Grüsse Philipp Steinmann ![]() Woran misst du deinen Erfolg? Ich erwische mich immer wieder dabei, wie sich die – ich nenne sie mal «postindustrielle» – Definition von Erfolg in meinen Entscheidungsprozess einmischt. Erfolgreich nur wenn ich schwarze Zahlen mache, wenn ich an einem ausgebuchten Konzert spiele, wenn mich Frauen ansprechen. Dabei war das alles gar nicht das Hauptziel. Was ist denn das Hauptziel? Meine heutige Antwort auf diese Frage ist: Weitermachen. Weiterkommen, weiter «sein», weiter bestehen. Das Wort «Er-folg» hat scheinbar etwas mit «folgen» zu tun. Wenn ich ein Buch schreibe und niemand kauft es (in der Main-Stream-Sprache kein Erfolg), könnte vielleicht ein Zweites darauf folgen, ein Besseres. Das wäre ein Erfolg. Vielleicht liest es nur eine einzige Person und verbindet mich mit einem Verlagsinhaber, das wäre auch ein Erfolg. Vielleicht schreibe ich auch zehn Bücher ohne dass sie gekauft werden, einfach um herauszufinden, dass ich wirklich schreiben will. Oder um herauszufinden, dass ich es nie wollte. Das wäre auch ein Erfolg – denn die Geschichte geht weiter. Das Gegenteil von Erfolg ist, wenn nichts passiert. Wenn ich nicht recht weiss ob ich Schriftsteller werden will und nach dem ersten Buch es immer noch nicht weiss. Oder wenn ich gar nie erst ein Buch schreibe und es so tatsächlich nie herausfinde. Ein Kollege von mir hat mit fünfundvierzig Jahren testweise ein Rennauto auf einer Rennbahn fahren dürfen. Er wollte herausfinden, ob an dem Kindheitswunsch – Rennfahrer zu werden – etwas dran ist. Er hatte einen spannenden Tag und fand heraus, dass es überhaupt nichts für ihn ist. Jetzt weiss er es! Was für eine Erleichterung für den Teil in ihm, der sein Leben lang im Ungewissen gelebt hat – was für ein Erfolg. In der Spieltheorie gibt es zwei Arten von Spiel: endliche und unendliche. Endliche Spiele sind wie Fussball – es gibt fixe Regeln, ein klares Ziel und Gewinner und Verlierer. Unendliche Spiele haben veränderbare Regeln, keine Gewinner und Verlierer; Das einzige Ziel des Spiels ist das Weiterspielen. The show must go on. Leider hat die Unternehmenswelt uns dazu gebracht, viel Zeit in unserem Leben im endlichen Spiel zu verbringen: wir sollten Ziele erreichen, versuchen gegen die Konkurrenz zu gewinnen, andere zu übertreffen, steigende Profite zu erzielen und unser Leben nach Finanzregeln auszurichten. Dabei haben wir ganz vergessen, dass unser Leben ein unendliches Spiel bleibt: Es gibt keine klaren Regeln und niemand «gewinnt das Leben»! Das einzige Ziel ist, weiterzumachen – und hoffentlich freudvoll und im friedlichen Miteinander. So will ich meinen Erfolg messen: Bin ich noch dabei? Will ich mich weiter «verschenken» und meine Gaben und Talente in die Welt tragen? Werde ich weiterhin dran bleiben? Macht es mir Spass und freue ich mich darauf, weiterzumachen? Auf ein erfolgreiches 2020! Artemi Ja, es gibt ihn, diesen z.T. als magisch geltenden Zustand – den Flow. Wenn sich Arbeit nicht nach Arbeit anfühlt, wenn sich alles wie von selbst zusammenfügt. Ich kenne es vom Kochen, vom gemeinsamen Singen, von Bühnenauftritten, vom Autofahren und auch von Tagen und manchmal Wochen, wenn alles einfach zu fliessen scheint. Noch öfter als der Flow kommen in meinem Leben zwei andere Zustände: die Überforderung und die Langeweile. Die Flow-Theorie als Teil der modernen Psychologie besagt, dass sich der optimale Fluss-Zustand irgendwo zwischen diesen beiden Polen liegt. Was hilft es mir in Frieden zu sein mit diesem andauernden Tanz zwischen der brennenden Wand der Überforderung und der eiskalten Einöde von Langeweile?
Erstens: Das Ideal von Flow loslassen, d.h. merken, dass mein Ziel gar nicht ist, immer im Flow-Zustand zu sein. Denn wenn ich das wäre, würde mich das beunruhigen: Ich hätte immer Angst, ich könnte es jederzeit verlieren. Mein eigentliches Ziel ist stattdessen, zu wissen wie ich wieder dorthin komme. Und da ich weiss, woher ich dorthin komme (entweder Langeweile oder Überforderung), habe ich ja schon mal die Punkte A, B und C auf der Landkarte. Zweitens: mir Langeweile eingestehen, d.h. mir erlauben, eine Herausforderung einzubauen, wenn sich eine Tätigkeit repetitiv anfühlt. Die Herausforderung könnte sein: beim Wohnung Putzen versuchen, im meditativen Zustand zu bleiben und mich selbst zu spüren; beim langweiligen Job meine zwischenmenschlichen Fähigkeiten zu üben, indem ich mehr auf Menschen zugehe; oder die langweilige Beziehung (den langweiligen Wohnort/Job/…) zu beenden! Durch Mut, mich aus der Langeweile herauszufordern, bringe ich mich in den Flow-Zustand. Drittens: mir Überforderung eingestehen, d.h. mir erlauben, zu merken, dass ich mir zu viel vorgenommen habe. Darum werde ich so gerne enttäuscht: Bei der Ent-Täuschung wird mir eine falsche Annahme sichtbar, die mich aus dem Flow gebracht hatte. Wenn ich z.B. eine Deadline annehme, die ich nicht einhalten kann; oder mir vorgenommen habe, ein Lied zu komponieren, das ich mit meinen jetzigen Fähigkeiten noch nicht komponieren kann; oder mich einer Gruppe Menschen anschliessen will, mit deren Tempo ich nicht mithalten kann. Alles wunderbare Möglichkeiten, mich zu zeigen und zu sagen: Sorry! Ist mir zu viel. Kann ich nicht. Back to the flow! Artemi Folgende Überlegung hat einiges in mir Verändert. Frage: Woher kommt Geld? Vom Arbeitgeber? Von Banken? Vom Staat? Von guten Dingen, die du tust? Von der Zeit, die du in etwas investierst? Während meiner Auseinandersetzung mit meiner eigenen Einstellung zu Geld habe ich wiederholt diesen Satz gelesen: Geld kommt von anderen Menschen. Immer.
OK, und wieso geben mir andere Menschen Geld? Selbe Frage, anders formuliert: Wieso würde ich jemand anderem Geld geben? Geld ist mit Wert verknüpft und deswegen geben wir nur dorthin Geld, wo wir einen Wert wahrnehmen können. Und dieser Wert ist immer mit einer subjektiven Geschichte verknüpft. Mein Vater liebt es, in Restaurants zu gehen – es gibt ihm ein Gefühl von Freiheit und von Selbstwert. Das sind wertvolle Dinge, dafür gibt er gerne Geld aus. Ich gebe dafür Geld aus für Weiterbildungen, um mir immer wieder zu zeigen, dass ich alles lernen kann, was ich lernen will – das gibt mir das Gefühl von Freiheit und von Selbstwert. Umgekehrt: Ich würde nie Geld für einen Fernseher ausgeben. Weder das Kaufen, noch das Besitzen, noch das Weiterschenken würde irgendein Bedürfnis von mir stillen. Kurz: im Kauf eines TVs liegt für mich persönlich kein Wert. Das wird für viele andere Menschen ganz anders sein (denn im letzten Jahr wurden weltweit über zweihundert Millionen Geräte verkauft). Und jetzt stelle ich mir vor, wie ich gegenüber dem Fernsehmechaniker sitze und ihm klarmache, dass sein Handwerk für mich wertlos ist. Und im nächsten Augenblick sitze ich den Menschen gegenüber, die z.B. an den Veranstaltungen, die ich organisiere, nicht interessiert sind. Das heisst, es gibt in ihrem Leben keine Geschichte, in die sich z.B. das Männersymposium einfügen lässt. Kein spürbares Bedürfnis, welches von diesem Event in Erfüllung gehen würde. Diese Überlegung führt mich zu folgender Tatsache: Wenn ich glücklich sein will und Dankbarkeit erfahren will, d.h. wenn ich der Welt dienlich sein will – was etwa in allen Religionen und spirituellen Lehren hoch priorisiert wird – dann muss ich mich mit den Geschichten anderer Menschen befassen. Ich muss herausfinden, was die Menschen, die an meine Veranstaltungen gehen, für Bedürfnisse haben, was sie sich für Geschichten erzählen, wie sich mein Angebot bei ihnen einfügt. Ich kann nicht davon ausgehen, dass wenn ich «tue, was mir Spass macht», die Resultate meines Tuns automatisch für andere Menschen Wert erzeugen. Das ist ein Logikfehler! Natürlich ist es wichtig für die persönliche Zufriedenheit, Dinge zu tun, die einem Freude bereiten. Doch für die tiefgehende Erfüllung, die erst im Dienen erfahrbar wird, reicht das nicht. Der weit verbreitete Spruch «Mach, was dir Freude macht, und das Geld wird kommen.» ist somit leider Bullsh**. Das Geld kommt von anderen Menschen und folgt der subjektiven(!) Wertempfindung. Und wer bei anderen einen Wert erzeugen will, muss zuerst herausfinden, was für sie wertvoll ist und was nicht. Dienen heisst, sich in Geschichten anderer Menschen einfügen. Indem ich aus allen Taten, die mir Freude bereiten, die auswähle, die für andere Menschen wertvoll sind, lerne ich die Kunst des Dienens, kreiere Wert in Leben anderer – was sich in meinem Einkommen widerspiegeln kann. Artemi 59 Jahre lang habe ich mich erfolgreich aus der aktiven Politik herausgehalten. Ich ging zwar wählen und gab meist auch bei Abstimmungen meine Meinung ab. Unserem Parlament konnte ich jedoch kaum vertrauen und habe den Menschen die sich in öffentliche Ämter wählen lassen auch wenig Wohlwollen entgegengebracht. Mit den Klimastreiks unserer Jugendlichen hat sich das verändert. Ich habe mich gefragt: Was ist denn mein Beitrag zu einer nachhaltigen, gesunden Welt? Ich bin erschüttert und gleichzeitig fasziniert, was für eine gigantische Bewegung weltweit entstanden ist. Dass dies möglich wurde, macht mir Hoffnung. Nun braucht es den nächsten Schritt. Der Protest soll zu mehr Bewusstsein und damit zu konkreter Veränderung führen. Die Integrale Politik kenne ich seit vielen Jahren. Es gibt sie seit 2006. Sie strebt einen Kulturwandel in der Politik an, wo Gemeinwohl und Sachpolitik über Parteiinteressen steht. Mehr dazu: Positionen der IP und politisches Werkzeug. Dies sind genau meine Werte, meine Vision und meine Tools und so finde ich mich nach einigen „glücklichen Fügungen“ als Kandidat für die Nationalratswahlen für die Integrale Partei Zürich wieder. In den Tagen vor meiner Entscheidung erlebte ich ein Déjà-vu. In meiner Pubertät lebte ich für einige Jahre in der Euphorie dass mir die Welt offen stand und ich alles erreichen konnte, wenn ich es nur konsequent verfolgen würde. Das mit der Konsequenz hat nicht so geklappt und so ist die Euphorie langsam aber stetig in sich zusammengeschrumpft. Damals war ich beseelt von einem Urvertrauen, welches diesen Sommer wiedererwacht ist. Es fragt nicht ob das Sinn macht, ob das was ich tue realistisch ist oder gar vernünftig. Dieses Urvertrauen hat mich JA sagen lassen und seither schwimme ich in einem Strom von ver-rückten Wahlspieler_innen auf den 20. Oktober zu. Das schönste daran ist, jeden Tag aufzustehen und zu spüren, dass ich etwas Wahrhaftiges tue. Etwas was jetzt, in dieser Lebensphase für mich Sinn macht. Ich bin noch weit davon entfernt, den Idealen und Visionen der Integralen Politik gerecht zu werden, doch ich bewege mich dort hin und gebe das was ich kann. Fragen, die mich seither beschäftigen: ist es an der Zeit, dass wir Männer uns Bewusst werden, was wir in der letzten Epoche des patriarchalen Zeitalters mit der Erde angestellt haben? Sind wir auch bereit, die unglaubliche Schaffenskraft, die all die technischen Entwicklungen hervor brachten, einzusetzen, für die Gesundung unseres Planeten? Sind wir bereit, unser kriegerisches Verhalten zu transformieren in eine respektvolle, wertschätzende Kooperation mit Menschen, Tieren, Pflanzen und dem ganzen Planeten? Bekommt unser spirituelles Wesen den Stellenwert der ihm gebührt? Ich glaube es ist an der Zeit … dafür gehe ich. Sei auch Du Teil des Bewusstseinswandels und gehe bitte wählen am 20. Oktober. Vöu Grüess Pablo Hess |